«Wie wir die Klimakatastrophe verhindern» heisst das neue Buch von Bill Gates, das ich natürlich sofort schlechten Gewissens bei Amazon bestelle. Bei Amazon, weil Lockdown. schlechten Gewissen, weil Arbeitsbedingungen. Aber ich musste es haben: seit ich denken kann, engagiere ich mich für Umweltpolitik und stelle mir immer mal wieder die Frage, die das Buch zu beantworten verpicht. Und dann kommt da einer mit Hirn und Geld und sagt wie es geht. Es liest sich gut, süffig, nicht zu technokratisch und überrascht mit steilen Thesen und Ansätzen. die sich nur ein Akteur aus der Zivilgesellschaft ertauben kann. der nicht darauf angewiesen ist für deren Umsetzung wiedergewählt zu werden. Bill Gates setzt auf massive Investitionen in Forschung und technische Lösungen: Grosses Potenzial sieht er in neuen Technologien wie der CO2-Speicherung sowie der neuen Generation der Atomkraftwerke.

Ohne Strom aus Atom gehe es nicht meint er keck zehn Jahre nach Fukushima und werkelt derweil mit seiner Firma Terra Power an einem neuen Reaktortyp. Auch den Fleischkonsum fasst er ins Auge und identifiziert ihn als eine der gravierendsten Probleme in Bezug auf den Klimawandel. Doch Bill Gates wäre nicht Bill Gates wenn er nicht auch hier den passenden Tech-Fix zur Hand hätte: Er setzt auf In-vitro-Fleisch. also synthetisch hergestelltes Rindfleisch das einen Bruchteil der Ressourcen verbraucht und kein Tierleid verursacht. Alles spannende Lösungen, alles ziemlich kostspielig.

Doch die Abwendung der Klimakatastrophe – und das ist eine der wichtigsten Messages – gibt es nun mal nicht gratis. Er fordert grosse Investitionen von Politik und Wirtschaft, sowohl regulatorisch als auch finanziell, und dies zu Recht. Die einzige Instanz die er komplett auszublenden scheint ist die Bevölkerung und deren Konsumverhalten. Verzicht auf Konsum. Verhaltensänderungen, Abkehr vom Wachstumsparadigma und ähnliche Ansätze, die einen Systemwandel zum Ziel haben, sucht man im Buch vergebens. im Gegenteil: In Bill Gates Szenario wird der Status quo aufrechterhalten und die katastrophalen Konsequenzen unseres Handelns mittels technischer Lösungen verhindert. Der Pöbel arbeitet und konsumiert weiter. für Brot und Spiele sorgen – ähnlich einem Deus ex Mach. – Technik, Forschung und Politik.

Eine gute Nachricht? Natürlich, wir werden alle technischen Lösungen brauchen, und jede Investition in die Forschung tut unbedingt not. Doch ist es nicht auch etwas entmündigend, der Bevölkerung so absolut keine Verhaltensänderung in eine sinnvolle Richtung zuzutrauen und stattdessen sämtliche bequemen Rahmenbedingungen möglichst aufrecht zu erhalten? Auf dass sich das Hamsterrad immer mehr, immer schneller, immer weiter dreht, instand gehalten durch neue, innovative Technologien? Wenn ich auch den rationalen Fokus auf Forschung und Technik sehr begrüsse, so sollten wir dennoch das Potenzial kumulierter individueller Verhaltensänderung nicht aus dem Blick verlieren und – bitte! – den Menschen als Individuum nicht unterschätzen.

Meret Schneider, Nationalrätin Grüne Kanton Zürich