Gefrorene Gräser knistern unter meinen Füssen. Sanfte Spuren bleiben zurück, während ich mich über die Felder bewege, angenehm warm in der klirrenden Kälte dieses Wintertags. Auf unserem sonntäglichen Lauf wechseln wir die Strassenseite und stehen mitten in einem Neubauquartier, das den Charme der Praxis meiner Dentalhygienikerin (DH) versprüht. Steriler Pflichtbesuch für ein Leben ohne Risiko.

Bereits nach der zweiten uniformen Fassade verliere ich die Orientierung. Joggend suche ich einen Weg über das bebaute Land. Kein Quadratmeter bleibt ungenutzt. Das Credo des aktuellen Städtebaus.

Foto: Thomas Honegger 2022

Foto: Thomas Honegger 2022

65 Wohnungen in völliger Gleichförmigkeit. Riesige Baugruben haben die feinen Unterschiede im Gelände zunichte gemacht. Hier leben rund 130 Personen auf einer Hektare Bauland. Ich halte die Schrittfrequenz konstant, bis mich der Anblick eines Spielplatzes ins Stolpern bringt. Fallschutzmatte, Schaukel, Punkt und aus. Anschlagen verboten, nur die Kindheitsträume zerbrechen. Hier sollen Abenteuer stattfinden, Versteck-spiele, erste Küsse? Freiheit entdeckt und Selbständigkeit geübt werden? Das Leid verpasster Kindheit hält mich fest.

Der regionale Richtplan gibt den Gemeinden vor, welche Dichten sie anstreben müssen. Im Glatttal werden stellenweise weit über 300 Köpfe pro Hektar zusammenleben. Um den Kulurlandverbrauch zu reduzieren, wollen wir die Siedlungen gegen innen verdichten. Dabei lassen wir eine Ausnützung zu, die weit über unserem gewohnten Mass liegt, und trieben einen sehr rentablen Bauboom von privaten Investoren an. Das Wohnen im Kanton Zürich ist begehrt – schnell wird vermietet und verkauft, was gebaut wird. Die Gestaltung der Aussenräume verkommt dabei zur Pflichtübung. Auf keinen Fall sollen Streitigkeiten über Sauberkeit und Sicherheit die Ruhe der stetig strömenden Finanzflüsse stören.

Meine Gedanken kreisen. Wir lassen die Siedlung hinter uns und passieren eine alte Kernzone. Der früheren Architektur gelang es, trotz enorm hoher Dichte die Aussenräume charmant zu gestalten. Die Altstadt in Winterthur erreicht beispielsweise eine Dichte von 1000 Köpfen pro Hektare. Alte Zentren sind beeindruckend, verspielt ins gewachsene Terrain gebaut, strukturiert mit kleinen Hügeln und Tälern. Im Mittelpunkt stehen stilvolle Freiräume, erstellt als zusammenhängendes Kunstwerk aus Parkanlagen, Plätzen, Brunnen, Seen, Flüsse, Brücken und Alleen mit Sichtbeziehungen auf Prunkbauten.

Wie nur konnten wir diese Qualitäten des früheren Städtebaus vergessen?

Thomas Honegger, Kantonsrat Grüne Greifensee