Michael Grüebler über die Herausforderungen der Lokalpolitik in Volketswil, die besonderen Hürden für die Grünen vor Ort und die Rolle der interparteilichen Konferenz als Ort des Austauschs und der Zusammenarbeit.
Daria Semenova
«Volketswil ist kein wahnsinnig schönes Dorf, aber Heimat», sagt Grüebler, während er die Eigenheiten der Gemeinde beschreibt. Für ihn steckt in der Vielfalt der Ortsteile eine besondere Dynamik. «Es beginnt bei Gutenswil, das fast wie ein altes Bauerndorf aussieht, und endet mit der Industrie. Wir haben alles an Fast Food, was man sich vorstellen kann – McDonalds, KFC, Subway. Das als Dorf unter einen Hut zu bringen, finde ich schon krass.» Diese Mischung zeigt sich auch in der politischen Landschaft: Die Bewohnerinnen und Bewohner sind oft eigenständig und haben unterschiedliche Prioritäten. «Die Bewohnenden von Gutenswil oder Kindhausen sind sehr eigenständig. Das macht das Zusammenbringen von Interessen herausfordernd, aber auch spannend.»
Vom Beobachter zum Gestalter: Grüeblers Einstieg
Sein Weg in die Politik begann nicht aus frühzeitigem Aktivismus, sondern aus Beobachtung und dem Bedürfnis nach Veränderung. Als Grüebler nach Jahren wieder in seine Heimatgemeinde zurückkehrte, fiel ihm auf, dass die Erneuerungswahlen ohne linke Alternative stattfanden. «Ich fand, das kann nicht sein. Die Grünen gab es hier vorher gar nicht. Sie hatten gerade erst 2021 eine Ortspartei gegründet. Ich dachte: Wenn nicht wir, wer dann?» Heute ist er im Vorstand der Grünen Volketswil, einer kleinen, aber aktiven Gruppe, die zusammen mit Schwerzenbach Projekte umsetzt. Auf die Frage, warum er selbst nicht kandidiere, antwortet Grüebler: «Ich bin zwar der Einzige aus dem Vorstand, der kandidieren könnte, da die anderen in Schwerzenbach wohnen, doch ich glaube, mit sieben ehemaligen Amtsinhaberinnen und Amtsinhabern, die wieder antreten, wäre es schwierig, wirklich gewählt zu werden. Aber wir wollen einfach mehr Menschen aufbauen und die Plattform nutzen, die jetzt durch die Wahlen geboten wird. Mit Geduld könnte sich bald etwas ändern – neue aktive Personen im Gemeinderat und in den Behörden wären wirklich schön»
Aktionen wie der Parking-Day, bei dem Parkplätze in öffentliche Spielflächen mit Pingpongtischen, Stromvelos oder Blumen verwandelt werden, zeigen den Menschen, dass Politik Spass machen kann, greifbar ist und lokale Anliegen ernst nimmt. «Wenn dann Reaktionen von Passantinnen und Passanten kommen wie ‹wieder mal die Grünen, die alles in den Weg stellen›, wollen wir zeigen, dass wir keine Fanatiker sind, sondern dass wir versuchen zu verstehen, was die Menschen brauchen – und darauf reagieren.» Auch Themen wie Biodiversität – die Bevölkerung hat 2023 zusätzlich die Biodiversitätsinitiative angenommen – oder ein moderates Feuerwerksverbot stehen auf der Agenda. Für Grüebler geht es immer darum, welche Veränderungen wirklich umsetzbar sind und wie sie von den Menschen aufgenommen werden. Politik ist für ihn kein Sprint, sondern ein Marathon.
Die Realität der Gemeindeversammlungen
Wenn es um Gemeindeversammlungen geht, wird Grüeblers kritische Haltung deutlich. «Wir haben 20 000 Einwohnerinnen und Einwohner und 11 000 Stimmberechtigte. Bei der Gemeindeversammlung kommen oft nur etwa 100 Personen – meist ältere Menschen. Die Zusammensetzung spiegelt nicht die Bevölkerung wider.» Und obwohl die Grünen theoretisch Mobilisierungspotenzial hätten, um Abstimmungen zu kippen, sagt Grüebler klar: «Ja, wir könnten mehr Menschen mobilisieren, aber das ist nicht meine Demokratie.» Es geht ihm um proportional repräsentative Entscheidungen, nicht um kurzfristige Mehrheiten, die auf niedriger Beteiligung beruhen. Dass die Gemeindeversammlungen bisher oft am Freitagabend stattfinden, erschwere die Teilnahme junger Menschen, Studierender oder Berufstätiger zusätzlich. Gerade weil so wenige Personen abstimmen, haben die Grünen in Volketswil ein Parlament gefordert, bisher jedoch ohne Erfolg. Doch Grüebler sieht noch Hoffnung: Schliesslich brauchte auch Wetzikon elf Anläufe, bis ein Parlament eingeführt werden konnte. Für ihn ist dies ein zentraler Kritikpunkt: Politik muss alle Menschen erreichen und die Vielfalt der Stimmen widerspiegeln, sonst wird sie ungerecht.
Zusammenarbeit statt Machtspiele
Ein besonderes Engagement liegt Grüebler in der interparteilichen Konferenz (IPK) am Herzen. Die IPK wurde gegründet, um sich als Vertreterinnen und Vertreter aller politischen Lager in Volketswil bei den «Volketswiler Nachrichten» abzustimmen und die Zusammenarbeit zu koordinieren. «Es geht nicht um Machtkämpfe, sondern um Austausch und gegenseitiges Verständnis. Wir sprechen über die Anliegen der Parteien, nicht über politische Details.» Dabei geht es um konkrete Aufgaben: Wie sollen Informationen veröffentlicht werden? Wie können Veranstaltungen gemeinsam organisiert und kommuniziert werden, um die Kandidierenden vorzustellen? Viele Anliegen und Probleme überschneiden sich, und privat seien alle oft nette Persönlichkeiten, die sich ebenfalls für die Gemeinde engagieren. «Alle wollen mehr junge Menschen aktivieren und die Plattform nutzen, die durch die Wahlen geboten wird. Es geht darum, gemeinsam Ideen umzusetzen und zu zeigen, dass Politik für alle funktionieren kann.»
Berufliche Expertise trifft auf politisches Engagement
Michael Grüebler ist in Volketswil aufgewachsen und besuchte drei unterschiedliche Schulhäusern der Gemeinde. Er kennt die Eigenheiten des Ortes – von wenigen lokalen Gewerbebetrieben über versteckte schöne Flecken bis zu Industriegebieten und der stark autoorientierten Infrastruktur. Trotz dieser Herausforderungen liebt er seine Heimat und schätzt die Nähe zur Natur sowie besondere Orte wie den Homberg, die Hutzeln oder die Badi, die er als «die schönste weit und breit» bezeichnet.
Aktuell lebt Grüebler mit seiner Partnerin in Hegnau, nahe dem Waldrand, wo er einen kleinen Garten hat und es geniesst, die Natur zu beobachten und wenn Tiere zu Besuch kommen. Beruflich ist er CoLeitender der Statistik der Stadt Zürich. «Wir informieren die Öffentlichkeit mit Fakten. Es fasziniert mich, wie man aus Zahlen Entscheidungsgrundlagen ableiten kann – von Verkehr über Energie bis hin zu exotischen Themen wie der Anzahl Elefanten im Zoo Zürich.» Mit dieser Fähigkeit will Grüebler sein politisches Handeln pragmatisch und lösungsorientiert gestalten, immer mit Blick darauf, was für die Menschen vor Ort relevant ist.
Für Grüebler geht es in der Politik nicht um Ideologie um jeden Preis, sondern darum, Menschen mitzunehmen, Umwelt und Biodiversität zu schützen und die Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Humor, Geduld und Austausch prägen sein Wirken. Politik muss greifbar sein – mit kleinen, konsequenten Schritten versucht er, das lokale Leben zu beleben, neue Menschen zu motivieren und Veränderungen auf Basis von Fakten und Bürgernähe voranzubringen.
«Das sind wir» – Lokalpolitik
Ob Parteipräsident oder Mitglied einer Behörde: In loser Folge erzählen politisch tätige Akteurinnen und Akteure über ihre Aufgaben, Herausforderungen und ihre Motivation, aber auch über Privates und ihre Beziehung zu Volketswil.


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