«Was bedrückt dich?», frage ich die junge Klimaaktivistin. «Die Welt erdrückt mich», erwidert sie still. Uns beiden schiessen die Tränen in die Augen. Verstohlen schauen wir ins Feuer, um unseren Kummer zu verbergen.
Rekorddemo, Bundesplatzbesetzung, Klimaaktionsplan. Einfach kurz die Welt retten, statt um die Welt zu jetten. Reumütig lasse ich mir den Palmarès der Aktivistin durch den Kopf gehen. Wann habe ich aufgehört, mir visionäre Ziele vorzunehmen? «Wieso macht ihr Politiker nicht einfach einen Vorstoss, der alles löst?», fährt sie angriffig fort. Legitime Frage.

Foto: Thomas Honegger / art.I.schock
Nicht weniger als eine der grössten Herausforderungen der Menschheit, die Energiewende, will die heutige Jugendbewegung meistern. In einem Aufwasch mit dem Weltfrieden, dem Erhalt der Biodiversität und der Überwindung der sozialen Ungerechtigkeit. Das Ganze global, gendergerecht, im Dialog mit der Wissenschaft und noch dazu einstimmig, da sämtliche Mitglieder der Bewegung ein Vetorecht haben.
Ich flüchte mich in Sachzwänge und erkläre ihr die Staatsebenen. «Weisst du, Gemeinde und Kanton und so. Da kann ich nicht einfach Dinge klären, für die ich nicht zuständig bin.»
Wirklich? Ist das meine Antwort auf die drängendste Frage der Jugend? Immerhin das Feuer vor uns lodert lustvoll in die Abendstunden.
Als Hippie hätte sie es bedeutend einfacher. Haare lang, Bus bemalt, Boxenstopp bei den Raucherwaren und auf in den Kampf für die Ideale. Vor der eigenen Haustür ginge der Wandel rascher voran. Schnell hätte sie sich ein Umfeld geschaffen, das ihre Ideale teilte. Einen Rückzugsort, den sie prägen könnte und der sie tragen würde. «Was nützt es mir, wenn es mir gut geht und die Welt uns keine Zukunft lässt?» Als hätte die junge Aktivistin meine Gedanken über Hippies und Raucherwaren gelesen, entwaffnet sie meine Argumente.
Ja, was nützt es ihr? Ortswechsel in die Politik. Eine Stunde lang höre ich mir von meinem Tischnachbarn an, weshalb ich als Grüner für die aktuelle Energiekrise verantwortlich sei. Die Wirtschaft sorge für den Wohlstand und der Atomstrom für die nötige Ökologie. Wären wir grünen Verhinderer nicht, wäre die Welt schon längst gerettet. Libertäre Gedanken machen offenbar immun gegen die Krisen dieser Welt. Der Politikerabend schlägt mir komplett aufs Gemüt, und die Sorgen der Welt erdrücken mich. Ich mache mich auf zu meinem Rückzugsort. Es hätte noch Platz am lodernden Feuer.
Thomas Honegger, Kantonsrat & Gemeinderat Grüne Greifensee
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