1,1 Milliarden Eier legten die Hühner in der Schweiz 2021 und der Pro-Kopf-Konsum stieg auf rekordhohe 194 Eier pro Jahr, Tendenz steigend. Wie ist eine solche Produktion zu bewältigen, die noch dazu grossen saisonalen Schwankungen mit hohen Nachfragen an Ostern und Weihnachten unterliegt? Hierzu lohnt sich ein Blick auf die Hühnerzucht der letzten Jahrzehnte, die geradezu groteske Ausmasse angenommen hat, um unserem Färb- und Tütschbedürfnis nachzukommen.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren Hühner sogenannte Zweinutzungstiere. Die Weibchen wurden fürs Eierlegen und die Männchen für die Fleischproduktion genutzt. Diese Zweinutzungsrassen wurden auf den Betrieben selber vermehrt, wobei die Küken die gleichen Eigenschaften hatten wie die Elterntiere.
Weltweit gibt es heute nur noch drei nennenswerte Zuchtkonzerne, welche die gesamte Legehennen-Genetik in ihren Händen halten.
Dies änderte sich in den 1960er-Jahren, als eine Aufspaltung in der Hühnerzucht stattfand: Bestimmte Hühnerrassen wurden auf hohe Eierproduktion gezüchtet, während andere auf hohen Fleischzuwachs optimiert wurden. Durch Konzentration auf eines der beiden Merkmale liessen sich viel grössere Leistungssteigerungen erzielen. Dies war der Beginn der heutigen Hochleistungszucht.
Parallel dazu wurde in den 60er-Jahren die sogenannte Hybridzucht eingeführt. Dabei handelt es sich um Verkreuzungen unter genetisch sehr ähnlichen Tieren (Inzucht). Die aus diesen Inzuchtlinien entstandenen Kreuzungstiere nennt man Hybridhühner. Diese vererben ihre Hochleistungsmerkmale aber nicht weiter, wodurch die Bauern keine Hühner mehr selber nachzüchten können, sondern auf den Zukauf neuer Hybridhühner angewiesen sind, um die alten zu ersetzen.
Da durch saisonale Schwankungen und eine leicht abnehmende Legeleistung nach 12 Monaten die ganze Schar der Hühner jährlich durch eine neue ersetzt wird, bedeutet das eine komplette Abhängigkeit der Geflügelhalter von den Zuchtfirmen. Das sogenannte Endprodukt der Hybridisierungen, also die «fertigen» Legehennen, werden in grossen Brütereien ausgebrütet, in speziellen Aufzuchtställen circa 18 Wochen aufgezogen und dann erst auf den Legebetrieben eingestallt, wo sie im Alter von 20 Wochen mit dem Eierlegen beginnen.
Weltweit gibt es heute nur noch drei nennenswerte Zuchtkonzerne, welche die gesamte Legehennen-Genetik in ihren Händen halten: «EW Group» (DE), «Hendrix/Nutreco» (NL) und «Natexis/Groupe Grimaud» (FR). Diese beliefern den gesamten Weltmarkt der Eierproduktion.
Nichts ist politisch so unbequem, als sich für höhere Preise einzusetzen, aber hier ist genau dies notwendig.
Solche Fakten liest und hört man selten, und wann immer ich das Thema politisch mittels Motionen aufgreife (Verbot von Qualzuchten, Kükentöten etc.), schlägt mir der eisige Wind der Preisargumentation entgegen. Eier und Pouletfleisch würden dadurch teurer und die Masse könnte nicht mehr produziert werden. Beides stimmt. Und beides ist notwendig. Eine weitere Steigerung oder auch nur die Beibehaltung des aktuellen Rekordkonsums können wir nur auf Kosten der Umwelt und der überzüchteten Hühner gewährleisten.
Zum Preisargument lohnt sich einmal mehr der Blick in die Geschichte und über die Eier hinaus: 1950 bezahlte die Bevölkerung 30 Rappen für ein Ei. Bis heute sind die Eierpreise nicht markant gestiegen, so zahlen Konsumierende heute im Schnitt für ein konventionelles Schweizer Ei etwa 43 Rappen, das sind nur 40 Prozent mehr als 1950. Im Vergleich dazu stieg der Landesindex der Konsumentenpreise für 1 kg Ruchbrot von 51 Rappen (1950) auf 2.48 Franken für 1 kg (+ ca. 490 Prozent) und jener für 1 kg Kartoffeln von 37 Rappen auf 2.98 Franken (+ 805 Prozent).
Nichts ist politisch so unbequem, als sich für höhere Preise einzusetzen, aber hier ist genau dies notwendig. Für eine naturnähere Produktion, für die unzähligen gequälten Hühner und für die Unabhängigkeit unserer Bauern von milliardenschweren Zuchtkonzernen.
Meret Schneider ist grüne Nationalrätin des Kantons Zürich.
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